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aktuelles aus dem Kreisverband Plön

„Soziales Schutzniveau ist zu bewahren!“

SoVD im Gespräch mit Parsa Marvi, MdB (SPD), zu den Vorhaben der Sozialstaatskommission.

Zwei Personen stehen nebeneinander, im Hintergrund eine grüne Hecke.
Kürzlich traf die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier Bundestagsmitglied Parsa Marvi. Sie waren sich einig, dass ein starker Sozialstaat für die Demokratieförderung enorm wichtig sei.

Schon seit Herbst befasst sich die von der Regierung eingesetzte Sozialstaatskommission unter Leitung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) mit der Analyse und Bewertung des grundlegenden deutschen Staatssystemes. Zielvorgabe ist die Entwicklung einer zukunftsfähigen und gerechten Reform. Der SoVD begrüßt das Vorhaben und begleitet es kritisch. Bei einem Treffen mit Kommissionsmitglied Parsa Marvi, MdB (SPD), betonte die SoVD-Vorsitzende Michaela Engelmeier, wie wichtig es sei, den Sozialstaat zu stärken. 

Die Bündelung und Vereinfachung von Prozessen gehören zu den zentralen Maßgaben des Expert*innenrates. Angestrebt wird unter anderem, künftig mehrere Sozialleistungen zusammenzufassen, um deren Beantragung zu erleichtern. 

Gleichzeitig will man Erwerbsanreize stärken und Modelle entwickeln, um die Übergänge von Sozialleistungen in Beschäftigung zu erleichtern. Seit Langem steht außer Frage, dass hierfür die Abläufe in den Verwaltungen schneller, unkomplizierter und an vielen Stellen digital werden müssen. Zentrale Anlaufstellen stehen im Fokus der Sondierungen. 

Der SoVD begrüßt generell Vereinfachungen, da sie geeignet sind, den Zugang zu Sozialleistungen grundlegend zu verbessern. Gleichzeitig mahnt die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier: „Pauschalisierungen können Sozialleistungen auch verschlechtern. Etwa, wenn Familien ihr Zuhause verlieren, weil die neue Wohnkostenpauschale die Miete nicht abdeckt.“ Das Versprechen, das soziale Schutzniveau zu bewahren, müsse in jedem Falle eingehalten werden.

Laut Plan soll die Kommission der Bundesregierung bereits im Januar 2026 erste Ergebnisse und Handlungsempfehlungen vorstellen. 

Kurzvita

Parsa Marvi ist ein deutscher Sozialdemokrat (SPD). Er kam 2021 in den Bundestag und wurde 2025 wiedergewählt. Marvi ist ordentliches Mitglied im Ausschuss für Digitales und Staatsmodernisierung sowie im Finanzausschuss; außerdem fungiert er als stellvertretendes Mitglied der Ausschüsse für Wirtschaft und Energie sowie Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen. 

Der 1983 im Iran geborene Politiker setzt sich auch für die Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus ein. Marvi ist überdies Mitglied der überparteilichen Europa-Union Deutschland, die sich für ein föderales Europa und den europäischen Einigungsprozess starkmacht.

Parsa Marvi plädiert für „mehrkanalfähige“ Verwaltung mit barrierefreiem, transparentem Leistungszugang für alle„Digitales und Analoges zusammendenken“

Sie sind Mitglied (Begleitgruppe) der Kommission zur Sozialstaatsreform. Welches ist das vorrangige Ziel der Kommission? Und weshalb ist eine Reform gerade aktuell so wichtig? 

Der inhaltliche Fokus liegt auf steuerfinanzierten Leistungen wie zum Beispiel dem Wohngeld, dem Kinderzuschlag und den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sowie der Sozialhilfe. Der Befund ist klar: Der heutige Sozialstaat hat erkennbare Defizite bei Effektivität, Transparenz, Nutzerfreundlichkeit und Bearbeitungstempo. Der Sozialstaat ist zu komplex geworden. Das spüren viele Menschen, die auf staatliche Beratung und Unterstützung angewiesen sind. Der daraus resultierende Vertrauensverlust ist auch schädlich für die Integrität staatlicher, demokratischer Institutionen.

Vor diesem Hintergrund muss eine umfassende Reform unseres Sozialstaats auf den Weg gebracht werden, um ihn handlungsfähiger und wirksamer zu machen.

Welche Maßnahmen braucht es zur Entbürokratisierung und Modernisierung?

Die Zentralisierung und Bündelung von Kompetenzen für die Leistungsbearbeitung im föderalen Staat ist für uns ein wichtiges Ziel, um das Bearbeitungstempo im Sozialstaat zu erhöhen. Im Rahmen der föderalen Modernisierungsagenda müssen hierzu klare und verbindliche Entscheidungen getroffen werden. Dabei sind wir, falls erforderlich, auch zu Änderungen des Grundgesetzes bereit, um für zentrale Vollzugskompetenzen zu sorgen. Es muss Klarheit her, welche Ebene für welche Leistung verantwortlich ist.

Welche Rolle spielen dabei die Digitalisierung und die Standardisierung von Prozessen?

Meine Vision für den modernen Sozialstaat ist, dass alle Bürger*innen nur noch zu einem Kontaktpunkt kommen müssen, um entlang ihrer Lebenslage beraten zu werden und eine zu ihrem Bedarf passende Leistung beantragen zu können.

Dieser einheitliche Kontaktpunkt („One Stop Shop“) erfordert nur einen einmaligen Datennachweis. Die Daten sollen in der Regel automatisiert über den Datenaustausch zwischen den Behörden ermittelt werden. Voraussetzung dafür ist eine umfassende Registermodernisierung mit einer guten Datenqualität, die wir vorantreiben. Wir müssen digital und analog zusammendenken. Der einheitliche Kontaktpunkt muss immer sowohl digital als auch stationär auf gleichwertigem Niveau vorgehalten werden. Die mehrkanalfähige Verwaltung ermöglicht so digitale Teilhabe, begegnet aber der Gefahr der digitalen Spaltung.

Aufgrund von zu viel Bürokratie und Intransparenz werden bislang viele gute (Sozial-)Leistungen nicht ausreichend abgerufen.

Wir wollen einen Sozialstaat, bei dem jeder Mensch einen barrierefreien und transparenten Zugang zu allen Leistungen erhält, die für ihn verfügbar sind. Das wird die Abrufquote erhöhen.

Der Service vor Ort (in den Ämtern) bleibt für viele Menschen unerlässlich?

Absolut. Es muss weiterhin einen leistungsfähigen Service vor Ort, kombiniert mit sozialräumlichen Beratungsangeboten, geben. Der Staat darf sich wegen der Digitalisierung nicht aus der Fläche zurückziehen. Darauf werden wir bestehen.

Sie sind Mitglied im Digitalausschuss des Bundestages und mit vielen digitalpolitischen Themen konfrontiert. Inwieweit können Sie Ihren Sachverstand in die Kommission einbringen? 

Das ist mein Fokus in der Kommission. Ich bringe wichtige Fragestellungen ein: Wie kommen wir zu vollständig digitalen Prozessen im Sozialstaat ohne Medienbrüche? Wie schaffen wir ein intelligentes Lotsen- und Assistenzsystem für die digitale Beantragung, damit Menschen mit unterschiedlichem Zugang zur digitalen Welt gleichermaßen mitgenommen werden können? Wie können wir mit Unterstützung von KI komplexe Inhalte und Verfahren für die Leistungsberechtigten verständlich, transparent und handhabbar dargestellt und in eine allgemein verständliche Sprache übersetzen? Wie bekommen wir eine gute Verbindung zur EUDI-Wallet hin als zentrale Bürger*innen-App? [Anm. d. Red.: Gemeint ist eine digitale Brieftasche, in der offizielle Identitätsnachweise wie Personalausweis oder Führerschein gespeichert werden können.]

Der SoVD wurde im September als Stakeholder angehört – aus Sicht des Verbandes nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit. Warum ist ein starker Sozialstaat unerlässlich für die Demokratieförderung? 

Ein starker Sozialstaat ist entscheidend für eine lebendige Demokratie. Aus Sicht der SPD schafft er Sicherheit, gleichen Zugang zu Bildung, Gesundheit und Chancen – und schützt vor Armut und Ausgrenzung. Wer sich auf den Staat verlassen kann, verliert nicht das Vertrauen in demokratische Institutionen. Sozialer Zusammenhalt stärkt die politische Teilhabe, verhindert gesellschaftliche Spaltung und macht Demokratie widerstandsfähig gegen Extremismus. Nur mit Solidarität und sozialer Gerechtigkeit bleibt Demokratie für alle erlebbar.

Im Januar stellt die Kommission ihre bisherigen Ergebnisse vor. Sind davon konkrete Reformen zu erwarten?

Ich bin zuversichtlich und gehe fest davon aus, dass wir uns in der Kommission bis dahin auf Ergebnisse einigen können, die den Sozialstaat nach vorne bringen.