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aktuelles aus dem Kreisverband Plön

Angst vor schlechter Versorgung

Laut SoVD-Umfrage blicken zwei von drei Deutschen sorgenvoll auf ihre eigene Pflege.

Älterer Mann stützt sich auf einen Stock und blickt nachdenklich.
Steigende Eigenanteile im Heim, hohe Belastung in der häuslichen Pflege – nur jede*r Zehnte macht sich ums Älterwerden keine Sorgen. Foto: WavebreakMediaMicro / Adobe Stock

Eine vom SoVD in Auftrag gegebene Umfrage zeigt, wie tief die Sorge um die eigene Pflege in unserer Gesellschaft verankert ist. Die Bundesregierung stellt Reformen in Aussicht und verweist auf die Expertise einer Arbeitsgruppe. Deren Vorschläge jedoch enttäuschen: Statt Pflegebedürftige besser zu unterstützen oder sie finanziell zu entlasten, macht der Bericht vor allem die zwischen Bund und Ländern weiterhin bestehenden Konflikte deutlich.

In Deutschland gibt es immer mehr Pflegebedürftige. Allein seit 2015 hat sich ihre Zahl fast verdoppelt – auf knapp sechs Millionen Menschen. Gestiegen sind dadurch auch die Ausgaben für deren Versorgung. Zuletzt machte die Pflegeversicherung rund eine halbe Milliarde Euro Minus. Diese Angaben veröffentlichte der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) und warnte, dass auch in den nächsten Jahren mit Defiziten zu rechnen sei.

Um den Versicherungsbeitrag trotzdem stabil zu halten, stellt die Bundesregierung Darlehen bereit. Mit geliehenen Milliarden, so die Kritik des Spitzenverbandes, löse man jedoch keine Probleme, sondern verschiebe diese nur in die Zukunft.

Meinungsbild belegteine große Verunsicherung

Wie sehr die Pflegepolitik bereits an Vertrauen verloren hat, macht jetzt eine vom SoVD in Auftrag gegebene Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Civey deutlich. Demnach rechnen knapp zwei Drittel der Menschen mit einer schlechten Versorgung im Pflegefall, nur rund jede*r Zehnte macht sich dahingehend keine Sorgen. Für die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier ist dieses Stimmungsbild auch das Resultat immer neuer Sparvorgaben und jahrelang verschleppter Reformen. Das, so Engelmeier, habe Spuren hinterlassen.

Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse der Umfrage einen möglichen Ausweg aus der Krise auf. Denn rund 80 Prozent der Befragten befürworten die Einführung einer solidarischen Pflegeversicherung, die grundsätzlich alle Bürger*innen einbeziehen würde. Überraschend hoch fiel dabei die Zustimmung sogar unter Selbstständigen (69 Prozent) und Beamt*innen (42 Prozent) aus, die bisher der privaten Pflegeversicherung angehören. Als „ein starkes Signal an die Politik“ bezeichnete das Michaela Engelmeier. Sie wies darauf hin, dass der SoVD seit Langem eine solche Pflege-Bürgerversicherung fordere, in die alle einzahlen und die das Pflegerisiko solidarisch und gerecht absichert.

Hohe Eigenanteile führenzu pflegebedingter Armut

Dass der Systemwechsel hin zu einer Vollversicherung grundsätzlich machbar ist, belegte Prof. Dr. Heinz Rothgang von der Universität Bremen in einem Gutachten. Wie dringlich eine Reform mittlerweile ist, machte der Gesundheitsökonom vor Kurzem noch einmal in einem Vortrag vor Mitgliedern der SoVD-Bundeskonferenz deutlich.

In diesem warnte Rothgang eindringlich vor absehbar weiter steigenden Beitragssätzen und immer höheren Eigenanteilen in der Pflege. Im ersten Jahr eines Heimaufenthaltes, so der Wissenschaftler, liege der Selbstbehalt bundesweit derzeit im Durchschnitt bei mehr als 3.100 Euro pro Monat. Damit sei jedoch längst nicht das Ende der Fahnenstange erreicht: Bereits 2027 werde sich dieser Betrag auf rund 3.500 Euro erhöhen.

Dabei war die soziale Pflegeversicherung ursprünglich eingeführt worden, um Armut infolge von Pflegebedürftigkeit explizit zu verhindern. Das System einer Teilleistung startete Mitte der 1990er-Jahre allerdings unter anderen Voraussetzungen: Während die zu Pflegenden zwar auch damals schon für ihre Unterbringung und Verpflegung zahlen mussten (wie in der eigenen Wohnung ja auch), übernahm die Versicherung in der Regel alle pflegebedingten Kosten.

Bestehendes System vomKopf auf die Füße stellen

Inzwischen besteht abhängig vom Pflegegrad nur Anspruch auf einen konkret festgelegten Leistungsbetrag („Sockel“). Alle darüber hinausgehenden Kosten („Spitze“) müssen die Pflegebedürftigen aus eigener Tasche bezahlen. Eine Umkehr dieses Verhältnisses regt daher Prof. Rothgang an. Pflegebedürftige würden dann nur noch einen festen monatlichen Eigenbetrag zahlen, während alle weiteren pflegebedingten Kosten zulasten der Pflegeversicherung gingen. Als Zwischenschritt zur Einführung einer Pflegevollversicherung befürwortet auch der SoVD diesen „Sockel-Spitze-Tausch“. 

Bund und Länder suchen gemeinsam nach Lösungen

Mit der Frage, wie man die steigenden Kosten ohne Zugeständnisse bei der Versorgung in den Griff bekommt, beschäftigte sich in den letzten Monaten eine hochrangig besetzte Arbeitsgruppe. Dieser gehörten die pflegepolitischen Entscheider*innen auf Bundes- und Landesebene an; den Vorsitz hatte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU). Unter der hoffnungsvollen Überschrift „Zukunftspakt Pflege“ weckte diese Bund-Länder-Kommission Erwartungen, die sich letztlich jedoch nicht erfüllten.

Sammlung von Ideen stattnachhaltiger Reformen

Als ernüchternd und enttäuschend bewertet der SoVD die jetzt von der Arbeitsgruppe vorgelegten Ergebnisse. Diese machten vor allem deutlich, dass sich die Beteiligten in wesentlichen Punkten nicht einigen konnten. Zentrale Fragen zur Finanzierung der Pflegeversicherung bleiben weiterhin ungeklärt, aus den angekündigten Eckpunkten einer Reform wurde eine vage Aufzählung von Möglichkeiten. Damit werden Bund und Länder ihrer gemeinsamen Verantwortung nicht gerecht.

Entlastungen scheitern vermutlich am Geldmangel 

So empfiehlt die Arbeitsgruppe mit Blick auf die hohen Eigenanteile neben dem „Sockel-Spitze-Tausch“ auch eine automatische Anpassung der Pflegeleistungen an die Preis- und Lohnentwicklung  („Dynamisierung“). Keine Frage, diese vom SoVD seit Langem geforderten Maßnahmen wären dringend notwendig. Woher jedoch das Geld für die damit verbundenen Mehrausgaben kommen soll, bleibt unklar. 

Vor diesem Hintergrund ist es umso unverständlicher, dass die Kommission jene Maßnahmen nahezu komplett ausblendet, die in der Pflegeversicherung zu höheren Einnahmen führen würden: Das Eckpunktepapier erwähnt weder eine mögliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrundlage noch die denkbare Verbeitragung weiterer Einkommensarten. Ebenso außer Acht bleibt die Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben oder versicherungsfremder Leistungen aus Steuermitteln.

Für wirkliche Reformen fehlt weiterhin der nötige Mut

Am schwersten aber wiegt aus Sicht des SoVD das Festhalten an dem bestehenden Teilleistungssystem. Das ist eine klare Absage an die vom Verband geforderte Pflegevollversicherung – und damit an die vollständige Absicherung des pflegerischen Risikos. Allen Bekundungen zum Trotz bleibt es somit weiterhin bei den hohen Zuzahlungen für Versicherte. Dass die Arbeitsgruppe gleichzeitig den Ausbau der privaten Vorsorge vorantreiben möchte, dürfte da bei vielen für Kopfschütteln sorgen. 

SoVD: Verschlechterungen sind nicht hinnehmbar

Noch weniger nachvollziehbar sind dagegen Überlegungen der Kommission, den Menschen, die erstmals den Pflegegrad 2 oder 3 erhalten, für drei Monate das Pflegegeld oder ihr Entlastungsbudget zur Hälfte zu kürzen. Eine derartige Verschlechterung, die letztlich das Leistungsprinzip der Pflegeversicherung aushöhlt, trifft auf den entschiedenen Widerstand des SoVD. 

Worum es jetzt gehen muss, brachte die Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier auf den Punkt: „Was wir wirklich brauchen, sind echte und nachhaltige Reformen in der Pflege. Das erfordert Investitionen in die pflegerische Zukunft. Dazu gehört vor allem eine solidarische Bürgervollversicherung, in die alle einzahlen.“